Jennie erzähl mal: Wie ist das mit Krebs & Sport?

Moin Ihr Lieben.

Die Krebsdiagnose verändert alles. Sport war immer ein großer Teil meines Lebens. Als Kind habe ich schon Handball und Badminton gespielt, Rhönrad geturnt und als Jugendliche meine Liebe zum Tanzen entdeckt. Sport war mein Ausgleich zum Studium / Job, der Puffer, der mich im Gleichgewicht gehalten hat. Auch wenn ich nach meinem Umzug nach Hamburg erstmal etwas untätig war, habe ich auch hier bald ein Fitnessstudio und einen Sportverein gefunden und bin wieder aktiv geworden. Ich würde sogar sagen, dass ich in den Monaten vor der Diagnose so fit war, wie seit meiner Jugend nicht mehr. Ich hatte meine Ernährung umgestellt, einige Kilos abgenommen und bin 4-5x pro Woche beim Sport gewesen, oftmals morgens, bevor ich ins Büro gegangen bin. Neben Krafttraining und Kursen wir Zumba, Yoga, Pilates und Aerobic (je nach Lust und Laune) stand in der Freizeit Fahrradfahren, Walken, Laufen auf dem Programm. Ich habe mich unglaublich stark gefühlt, aktiv, ausgeglichen und war sehr zufrieden mit mir und meinem Leben. Und das kam wirklich noch nicht so ganz oft vor. Wäre es so weitergegangen, hätte ich mittlerweile wahrscheinlich mein Idealgewicht, einen Zumba-Trainer-Schein und  würde selber Kurse geben oder Online-Tutorials drehen. Das würde mir bestimmt viel Spaß machen (keine Sorge, was noch nicht ist, kann ja noch werden <3). Aber dann kam der Krebs. Und damit verbunden eine große Bauch-Operation, die mich eine sehr lange Weile aus der Bahn geworfen hat. Da war auf einmal nichts mehr so wie vorher. 
Nach der Operation habe ich ein paar Tage gebraucht, bis ich überhaupt wieder aufrecht gehen konnte. Ich konnte mich wochenlang nicht gerade hinsetzen, nichts machen, was annähernd die Bauchmuskeln beanspruchen würde. Selbst nur sitzen war schwierig, weil schnell etwas auf die Naht gedrückt hat und das tat natürlich sehr weh. Trotzdem würde ich sagen, dass ich die Operation ganz gut verkraftet habe, was bestimmt daran lag, dass ich gerade so fit war. Mein Körper stark war. Doch gerade die psychische Belastung der Diagnose hätte ich normalerweise wahrscheinlich mit Bewegung ausgetragen, aber da das nicht möglich war, habe ich es einfach verdrängt. Für fast ein ganzes Jahr. Ein Jahr, in dem ich in onkologischer Behandlung war, das erste von wahrscheinlich insgesamt drei Jahren, in dem ich eine medikamentöse Chemotherapie gemacht habe, ein Jahr, in dem ich mich doch leider sehr hängen lassen habe. Spaziergänge? Ja. Training? Nein. 
Es folgten sechs weitere Monate halbherzige Versuche wieder in das Training einzusteigen. Warum? Weil mein Körper einfach nicht so konnte, wie ich das wollte. Mein Wille war sofort von 0 auf 100, komme was wolle. Aber das geht nicht, wenn man erstens eine chronische Erkrankung hat und sich zweitens immer noch in einer medikamentösen Therapie befindet. Ich habe immer wieder total motiviert von vorne angefangen und jedes Mal den gleichen Fehler gemacht: Ich habe meinen Körper überlastet. Der Preis waren böse Muskelschmerzen, Erschöpfung, Verspannung und ein Haufen Frustration. Das ging so lange, bis die Schmerzen gar nicht mehr aufgehört haben und ich fast chronisch erschöpft war. Im Januar und Februar 2020 war daher das höchste, was ich machen konnte, kleine Spaziergänge, zum Beispiel den Arbeitsweg zu Fuß bewältigen oder die Runde in der Mittagspause. Es hat 1,5 Jahre seit der Diagnose gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich mehr denn je auf meinen Körper hören muss. Ich weiß, dass es immer heißt, man müsste nur den Schweinehund überwinden und über seine Grenzen gehen. Ich glaube nicht, dass das für jemanden mit einer Krebserkrankung oder allgemein mit einer chronischen Erkrankung funktioniert. Mir ging es dadurch viel schlechter und zu den körperlichen Wehwehchen kam dann auch die große Enttäuschung über mich selbst. 
Doch man entwickelt sich weiter. Leben heißt Veränderung und wer immer den gleichen Weg geht, kann nicht plötzlich mit einem anderen Ergebnis rechnen. Mittlerweile habe ich das Problem erkannt und werde lernen, damit umzugehen. Das heißt nicht, dass ich den Sport bleiben lasse. Auf gar keinen Fall. Aber ich werde es ruhiger angehen. Ich glaube, dass Bewegung sehr wichtig für Krebspatienten ist. Nicht nur um den Körper zu stärken, damit er für den "Kampf" gewappnet ist, sondern auch für die mentale Gesundheit und das eigene Wohlbefinden. 
Momentan ist meine Kondition echt fast auf dem Nullpunkt angekommen und mein Körper hat die Bedeutung von "gelenkig sein" eindeutig verloren. Bahn hinterherlaufen? Treppen steigen? Zumba-Kurs? Selbst bei dem eher einfachen Sportkurs "Fitness für Mollige" würde ich momentan wahrscheinlich nach 10 Minuten ein Beatmungsgerät brauchen. Aber den Kopp in den Sand stecken gibt es nicht, denn die Momentaufnahme von mir ist keine dauerhafte Option. Frei nach dem Motto "Aus der Ruhe wächst die Kraft!" werde ich das Wochenende damit verbringen, mir einen Einsteiger-Trainingsplan zu erstellen. Weder autogenes Training noch Marathon-Training in 7 Tagen, sondern auf mich angepasst. Ich möchte tägliche Bewegung in meinen Alltag integrieren, aber ganz langsam und unter ständiger Beobachtung der körperlichen Reaktion, um im Bedarf den Plan anzupassen. Zu dem gesunden "Rundum-Paket" gehört natürlich auch eine ausgewogene und gesunde Ernährung, darüber werde ich in den nächsten Tagen in einem weiteren Eintrag schreiben.

Bis dahin, passt auf Euch auf und bleibt gesund.
Herzliche Grüße aus der Hansestadt.
Jennie 




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