Jennie erzähl mal: Was ist eigentlich ein GIST?

Hallo Ihr Lieben,

heute werde ich ein bisschen über meine Krebsart schreiben. Ich möchte vorab erwähnen, dass ich natürlich kein Experte bin. Ich habe die Diagnose zwar im August 2018 bekommen, allerdings habe ich erst vor einigen Monaten angefangen mich intensiv mit der Thematik zu beschäftigen. Gerade bei seltenen Krebserkrankungen ist es gar nicht so einfach an relevante Informationen zu gelangen. Selbst mein Onkologe ist zwar auf Krebsarten im Magen-Darm-Trakt spezialisiert, aber nicht auf GIST und oftmals muss er zu meinen Fragen recherchieren. Hinzu kommt, dass es diese Krebsart erst seit einigen Jahren als eigenständige Krebsart gibt und sich Forschung und Studien noch mitten im Ablauf befinden. Es gibt leider auch noch keine Langzeitstudien. Daher bin ich sehr froh, dass es die Deutsche Sarkomstiftung (www.sarkome.de) gibt, die umfangreich über GIST aufklärt und Betroffenen sowie Angehörigen Beratung und Unterstützung anbietet. 

Das Wort GIST habe ich zum ersten Mal gehört, als ich zum Ultraschall beim Nieren-Arzt war und während der Untersuchung eine große Raumforderung in meinem Bauch entdeckt wurde. Ich habe eine Einweisung ins Krankenhaus bekommen und auch auf dem Einweisungsformular war "Verdacht auf GIST" vermerkt. GIST. Vier Buchstaben. Eine Abkürzung. Ein GastroIntestinaler StromaTumor. Eine seltene Tumorart, jährlich gibt es ca. 1000 Neuerkrankungen in Deutschland. Der Altersdurchschnitt bei Erstdiagnose liegt bei 60-70 Jahren, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. 

Ein GIST kann an verschiedenen Stellen im Magen-Darm-Trakt wachsen: Oftmals am Magen (50-60%), manchmal am Dünndarm (20-30%) oder im Enddarm (5-10%), ganz selten an der Speiseröhre (weniger als 1%). Der GIST ist ein Weichteil-Sarkom und wächst im Binde- und Stützgewebe des Magen-Darm-Traktes. Dort hat er viel Platz um sich auszubreiten und verursacht keine oder nur wenig Symptome, so dass er lange Zeit unentdeckt vor sich hin wachsen kann. Ich selber hatte ebenfalls keine spezifischen Symptome, außer Bauchschmerzen und ab und zu Verdauungsstörungen. Ich war deswegen sogar beim Arzt und es wurde eine Darmspiegelung gemacht. Mein GIST wurde dabei nicht entdeckt, denn der schlängelte sich außen um den Dünndarm. Ich bekam dann übrigens die Diagnose Reizdarmsyndrom und die Empfehlung meine Ernährung umzustellen, etwas andere könne man da auch nicht machen. 

Ein GIST entsteht durch einen Gendefekt. Dieser ist nicht vererbbar und es ist bislang nicht geklärt, woher dieser Defekt kommt. Der Primär-Tumor wird histologisch untersucht und es wird eine Mutationsanalyse erstellt, welche sehr wichtig für die Bestimmung des Rückfallrisikos und damit auch für die weitere Behandlung ist. Aber erst einmal muss der Tumor entdeckt werden. Das kann wie bei mir bei einer Routine-Untersuchung passieren. Oder er wächst doch mal um ein Blutgefäß oder erwischt ein anderes Organ und es kommt dadurch zu einer inneren Verletzung, dann wird der Tumor spätestens im OP entdeckt. Manchmal wächst er aber auch so lange, dass er tast- und sichtbar wird, dann ist er schon echt riesig. 

Mein Tumor war ungefähr so groß wie ein Tennisball, eine handvoll bösartiges Gewebe mitten in meinem Bauch. Und trotzdem ein stiller Zeitgenosse, der nicht viel Ärger gemacht hat. Es ist schon etwas beängstigend, wenn man überlegt, dass so etwas einfach im eigenen Körper wachsen und gedeihen kann, ohne einen Mucks zu machen und somit auch ohne eine Chance eingreifen zu können.

Ich hatte nun das Glück, dass der Tumor frühzeitig entdeckt worden ist, höchstwahrscheinlich bevor er Metastasen gebildet hat. Die Metastasen eines GISTs sind am häufigsten in der Leber oder in der Bauchdecke zu finden. Selbst wenn ein GIST in die Leber gestreut hat, ist das trotzdem kein Leberkrebs, sondern muss weiterhin wie ein GIST behandelt werden. Ein GIST ist strahlenresistent und kann nicht mit einer "normalen" Chemotherapie behandelt werden. 

Mein Tumor hat also wahrscheinlich noch keine Metastasen in Umlauf gebracht (es besteht immer die Möglichkeit von Mikro-Metastasen, die sind auf einem MRT nicht zu sehen) und konnte operativ entfernt werden. Auch die nächsten Lymphknoten waren frei von bösartigen Zellen, das ist ja meist ein sehr gutes Zeichen. Der Tumor wurde histologisch untersucht und es wurde eine Mutationsanalyse erstellt. Dabei werden mehrere Faktoren begutachtet und bewertet, dazu gehört der Gendefekt (der auch maßgeblich für das passende Medikament der anschließenden medikamentösen Chemotherapie ist), die Lokalisation sowie die Größe des Tumors und die Mitose-Zellteilungsrate. Anhand dieser Untersuchungen wird das Rückfallrisiko errechnet und eine Empfehlung für die weitere Behandlung gegeben. 

Meine Mutationsanalyse hat ein moderates Rückfallrisiko ergeben und mir wurde die medikamentöse Chemotherapie mit Imatinib 400mg über die Dauer von 3 Jahren empfohlen. Das Imatinib stört die Zellteilung von den (eventuell vorhandenen) bösartigen Zellen und verhindert so im Idealfall die Bildung eines Streuherdes. Natürlich schlägt das Medikament auf den ganzen Körper und verursacht eine Menge Nebenwirkungen (darüber werde ich demnächst einen weiteren Artikel verfassen). Alle 6 Monate muss ich zum Kontroll-MRT, dort wird überprüft, ob das Medikament wirkt und somit weiter keine Streuherde zu sehen sind. 

Wenn der Tumor schon Metastasen gebildet hat, wird übrigens ein ähnlicher Weg gegangen, das Imatinib wirkt nämlich auch bei den Metastasen, allerdings muss es dann dauerhaft gegeben werden. Imatinib ist nicht das einzige Medikament, das in Deutschland bei einer GIST-Diagnose zugelassen ist. Bei bestimmten Mutationen sowie einer entwickelten Resistenz gegen das Imatinib gibt es noch Sunitinib und Regorafenib, mit beiden Medikamenten habe ich allerdings keine Erfahrung, da das Imatinib bei mir bislang gut anschlägt.

Prognose. Das ist tatsächlich ein schwieriges Thema beim GIST. Ich nehme noch bis August/September 2021 das Imatinib, dann sind die angesetzten 3 Jahre vorbei. Was danach kommt, kann man leider nicht einschätzen. Es gab schon Fälle, da sind nach 2-3 Jahren Streuherde aufgetaucht. Manche Patienten hatten über viele Jahre keinen Rückfall. Das ist so wie viele Dinge im Leben, es gibt keine Garantien und man muss es nehmen wie es kommt. :-))

Ich hoffe, ich konnte das verständlich ausdrücken und falls Fragen aufgekommen sind, könnt ihr mich gerne anschreiben.

Ich wünsche Euch alles Gute, passt auf Euch auf und bleibt (möglichst) gesund.
Viele Grüße aus der Hansestadt.

Jennie 






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